Meeresstation Wilhelmshaven

Die Bedeutung umweltbedingter Verteilungsmuster von Schwarmfischen für Seevögel im Ökosystem Niedersächsisches Wattenmeer

Andreas Dänhardt, Prof. Dr. Peter Becker (Institut für Vogelforschung)
Niedersächsische Wattenmeerstiftung



Jung- und Kleinfische sind für die meisten Seevogelarten, die alljährlich in großen Kolonien auf natürlich entstandenen (z. B. Wangerooge, Trischen) und auf künstlichen Inseln (Banter See, Minsener Oog) brüten, die bei weitem wichtigste Nahrungsquelle. Als Paradebeispiel eines Fische fressenden Seevogels kann die Flussseeschwalbe (Sterna hirundo) gelten, von deren gesamter nordwesteuropäischer Population zwischen April und September ca. 5 % die niedersächsischen Küsten und Inseln zur Brut und Jungenaufzucht nutzen.

 


Foto 1: Flussseeschwalbe mit Fisch (Foto: R. Nagel)

 

Seit 2002 ist die zeit- und energieaufwändige Reproduktion der eleganten Langstreckenzieher jedoch nur noch von geringem Erfolg gekrönt: Die meisten Küken sind kurz nach dem Schlupf verhungert, was auf eine Störung in der Nahrungsversorgung hinweist und wattenmeerweit beobachtet wird. Das Forschungsprojekt mit dem Kurztitel „Schwarmfische“, das das Institut für Vogelforschung in Zusammenarbeit mit dem FORSCHUNGSZENTRUM TERRAMARE durchführt (Beginn: 1. Mai 2005, gefördert von der Niedersächsischen Wattenmeerstiftung), hat zum Ziel, das Verständnis der Bedeutung umweltbedingter Verteilungsmuster von Schwarmfischen für Seevögel durch den Einsatz verschiedener Erfassungsmethoden zu verbessern.

Weitere Kooperationspartner im Projekt sind das Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft der Universität Hamburg, das Forschungsinstitut Senckenberg und die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer.

Ein neu entwickeltes Hamennetz, das durch mehrere übereinander liegende Netzfächer die Vertikalverteilung potenzieller Nahrungsfische der Flusseeschwalben darstellen kann, wurde im Jahre 2005 erfolgreich getestet. Zu verschiedenen Jahres-, Tages- und Tidezeiten konnten deutliche Unterschiede sowohl in der Anwesenheit verschiedener Fischarten und Größenklassen in den Netzfängen als auch vertikale Wanderbewegungen und unterschiedliche Verteilungsmuster bei auf- und ablaufendem Wasser festgestellt werden. Vor der Netzöffnung wird ein Seitensicht-Sonar betrieben, dessen fächerförmige Schallimpulse alle Fische aufzeichnen, die die Netzöffnung passieren. Das Sonar wird, sobald es auf die Netzfänge geeicht ist, in den Jagdgebieten der Flussseeschwalben eingesetzt, um deren Jagdverhalten mit der vertikalen Fischverteilung unter verschiedenen Umweltbedingungen in Beziehung zu setzen.

Foto 2: Mit dem gestaffelten Hamennetz kann die Vertikalverteilung der Fische unter verschiedenen Umweltbedingungen festgestellt werden (Foto A. Dänhardt).

 

Seit April 2005 werden außerdem an einem Kraftwerk an der Jade Fische und Schalentiere beprobt, die das Nahrungsangebot der Flussseeschwalbe in Niedersachsens zweitgrößter Kolonie am Banter See im Wilhelmshavener Stadtgebiet widerspiegeln. Die ersten Befunde zeigen die starken saisonalen und gezeitenabhängigen Schwankungen im Vorkommen und in der Alterszusammensetzung wichtiger Fischarten auf: Vor und bei Niedrigwasser erhöhen sich die Nahrungsfischkonzentrationen deutlich, wenn auch die Flussseeschwalben am erfolgreichsten bei der Nahrungssuche sind.