Meeresstation Wilhelmshaven

Die Bioinvasion der Pazifischen Auster

- Eine potentielle Gefährung der eulitoralen Miesmuschelbänke im Niedersächsischen Wattenmeer? -


Projektleiter: Dr. Achim Wehrmann (Senckenberg am Meer)
Projektmitarbeiter: Andreas Schmidt, Philipp May (Senckenberg am Meer)

(vom 15.10.04 - 28.02.06)


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Die Pazifische Auster Crassostrea gigas (Foto: A. Schmidt)

Austern gab es an der deutschen Nordseeküste schon immer. Allerdings wurden die Bestände der heimischen Europäischen Auster (Ostrea edulis) durch Überfischung im Zusammenspiel mit kalten Wintern und Parasitenbefall in der Deutschen Bucht bis ins 20. Jahrhundert hinein so stark dezimiert, dass sie im Küstengebiet vor unserer Haustür heute nicht mehr vorkommt. Die letzten Europäischen Austern verschwanden um die 1940er Jahre.

Um den Wirtschaftszweig zu erhalten, wurden auf der Suche nach Ersatz für die Europäische Auster seit 1913 mehrere Versuche unternommen, exotische Austernarten im Niedersächsischen Wattenmeer zu kultivieren. Diese Versuche waren alle weniger erfolgreich, da meist durch zu kalte Winter die Versuchsbestände eingingen.

In dem Besatz der Aquakulturen mit der Pazifischen Auster (Crassostrea gigas), die ursprünglich aus wärmeren Breiten stammt, schien man eine geeignete Art gefunden zu haben, die sich aufgrund der niedrigen Temperaturen der Nordsee nicht unkontrolliert verbreiten sollte.

Erste Erfolge in der Austernkultivierung stellten sich mit Einführung der Pazifischen Auster 1965 in die Oosterschelde (Zeeland, NL) ein. In Deutschland gibt es mit dieser Muschelart eine Austernzucht seit 1986 auf der Insel Sylt.

Bereits kurze Zeit nach Einführung zeigte sich aber, dass man diese Austernart unterschätzt hatte. Denn nach starken Brutfällen in den 1970er Jahren entstand in der Oosterschelde eine stabile Wildpopulation. Von dort aus gelangte die Pazifische Auster im Laufe der folgenden Jahrzehnte Schritt für Schritt über die westfriesische Küste auch ins ostfriesische Wattenmeer. Eine ähnliche Ausbreitung war im nordfriesischen Wattengebiet zu beobachten. Aufgrund der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Küstenströmung erfolgte hier aber die Drift in entsprechend anderer Richtung.

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Ausbreitung der Pazifischen Auster nach der Drift-Hypothese (Karte: A. Wehrmann et al., 2000)

Erste Einzelfunde von C. gigas im deutschen Wattenmeer gab es 1998 auf den Wattflächen bei Baltrum. In den darauffolgenden Jahren wurden immer mehr Austern auf alten, gewachsenen Miesmuschelbänken und an den Hafenanlagen entlang der ostfriesischen Küste gefunden.

Seit 2003 wird die Bioinvasion der Pazifischen Auster innerhalb des Nationalparks

Niedersächsisches Wattenmeer und die Auswirkung auf das Ökosystem über drei Jahre in einem von der Niedersächsischen Wattenmeerstiftung geförderten Projekt untersucht.

Das Projekt beinhaltet die folgenden Aspekte:

  • Populationsentwicklung der Austernbestände auf den Miesmuschelbänken
    Eine Bestandserfassung von C. gigas findet auf 15 ausgewählten Miesmuschelbänken statt. Das Untersuchungsgebiet reicht vom Wattgebiet südlich von Borkum bis zum Wurster Watt. Bei dem Austernbesatz auf den Muschelbänken südlich von Borkum und Juist kann man bereits von einer stabilen Austernpopulation sprechen.
  • Einwanderungs- und Verbreitungswege der Pazifischen Auster
    Eine jährlich durchgeführte Planktonbeprobung soll Aufschluss über die Verbreitungswege der Auster geben, um die weitere Ausbreitung im niedersächsischen Wattenmeer abschätzen zu können.
  • Veränderung der Lebensgemeinschaft Miesmuschelbank
    Durch Beprobung des Wattbodens im Bereich der Muschelbänke sollen Änderungen der Diversität und damit eine Änderung des Nahrungsangebots in diesen Bereichen festgestellt werden.
  • Konkurrenz um Nahrung und Raum zwischen der Pazifischen Auster und der Miesmuschel Mytilus edulis

Am Senckenberg-Institut werden in Zusammenarbeit mit dem Terramare im Rahmen einer Diplomarbeit Untersuchungen durchgeführt, die sich auf die Frage nach der Nahrungskonkurrenz konzentrieren. Anhand von Filtrationsexperimenten mit der Pazifischen Auster und der Miesmuschel soll die Filtrierleistung beider Arten bestimmt werden. Ziel ist es, die Fähigkeit der jeweiligen Muschelart einzuschätzen, Nahrung aus der Wassersäule zu entnehmen. Hierzu werden 3 verschiedene Größenklassen der beiden Muschelarten bei einer Temperatur von 15 °C mit Algenlösungen gefüttert und die Abnahme der Zellzahl pro Zeiteinheit verfolgt.

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Die 15 regelmäßig kartierten Miesmuschelbänke (Bild: Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, Original Landsat Data ESA 1992; bearbeitet durch P. May)